Phantasie und Fehler

Die Blasonierung wurde erfunden, um eine korrekte Wappendarstellung zu garantieren. Diese präzise Beschreibung in einer genormten Sprache soll dafür sorgen, dass Wappenmaler aller Orte und Zeiten das Wappen zeichnen können, allein anhand des Textes, und bis auf stilistische Feinheiten sieht es immer gleich aus.

Ja, so soll es sein.

Umso verwunderlicher ist es, was die verschiedenen Wappenbücher und Sammlungen im Laufe der Jahre aus dem Wappen der Faber du Faur gemacht haben.

Beginnen wir mit dem Klassiker der Wappenbücher, dem Siebmacher. Das Wappen der Familie Faber du Faur wurde 1779 verliehen. Es wurde neu begründet, also nicht von einem Vorgängerwappen oder einer Familie abgeleitet, jedenfalls nicht im deutschen Sprachraum. Folgerichtig ist es in älteren Ausgaben des Siebmacherschen Wappenbuches nicht enthalten und taucht erstmals 1785 auf – im „7. Supplement“ zur Gesamtausgabe von 1772. Was dieses Standardwerk der Heraldik dann aber daraus machte, ist unerklärlich.

Gleich vier Einträge weist das Werk nun auf. Es beginnt mit den Faber du Faur en Armagnac, Languedoc usw. Falsch daran ist erstens der Name, heißt doch die dortige Familie „du Faur de Pibrac“. Zweitens ist deren Wappen falsch dargestellt und drittens stellt sich die Frage, warum dieses Kompendium deutscher Familien nun genau eine einzige französische aufführt.

Das zweite Wappen soll die Faber du Faur en Allemagne sur le Rhin, au Mayn et au Neccar zeigen. Es besteht nur aus dem Herzschild mit Zange und Lilien. Dieser Eintrag ist völlig irreal, ein solches Wappen hat es nie gegeben, und im Jahr 1785 haben auch keine Faber du Faur an Main und Neckar gelebt. Unerklärlich ist zudem: Warum ist die Beschreibung französisch?

Und weiter geht es mit der wilden freien Phantasie: Faber du Faur von Laneck in Tirol – hier ist das kennzeichnende Stammwappen mit den Besants gleich zweifach vorhanden, im Herzschild und als Helmzier. Das Ganze ist so real wie ein bayerischer Wolpertinger, dieses aus verschiedenen Tieren zusammengenähte Wunderwesen. Richtigerweise heißt diese Familie Faber von Laneck, und sie hat keinerlei Beziehungen zu den du Faur, nicht in Abstammung, Verwandtschaft oder dem Wappen – die zwei Besantschilde gehören da nicht hin.

Schlussendlich folgen „Les Barons Faber du Faur“ – und hier ist das Wappen absolut richtig wiedergegeben, und zwar in allen Elementen, so wie es der Hofwappenmaler in Wien ausgeführt hat. Sogar die rotweiße Partie der rechten Helmdecke wird angezeigt, welche in sämtlichen späteren Darstellungen verschwindet.

Das Siebmachersche Wappenbuch wurde 1596 erstmals erstellt und dann in kaum zählbaren Nachträgen, Supplementen und Neuausgaben aktualisiert und erweitert. Wie nun dieses so renommierte Kompendium zu gleich drei falschen beziehungsweise fiktiven Einträgen kommt, ist unerklärlich. Zumal ohne zu wissen, wie die damaligen Autoren in Nürnberg die Informationen und Angaben zu den Wappen aus all den deutschsprachigen Regionen erhielten.

Fünf Jahre später, also 1790, erschien das 10. Supplement des Siebmachers. Und darin findet sich ein weiterer verwirrender Nachtrag: Eine Familie „von Faber“, die als Wappen den Herzschild mit Zange und Lilien führe. Die Autoren werden sich den Eintrag wohl nicht frei ausgedacht haben – aber worauf er basiert, bleibt schleierhaft.

Ungefähr um das Jahr 1800 herum wurde ein Konkurrenzwerk populärer: Das Wappenbuch des Tyroff’schen Kunstverlages. Herausgegeben von der Familie Tyroff, einst Mitarbeiter beim Siebmacher und nun Konkurrenten; sie pressten nicht zehn oder mehr Wappen auf eine Druckseite, sondern nur ein oder zwei, welche dafür besonders groß und detailliert ausgeführt waren. Die Farben wurden wie beim Siebmacher selbstverständlich durch genormte Schraffur vermittelt.

Erstmals 1844 taucht das Wappen dort auf, im 14. Band der Reihe „Wappenbuch der Österreichischen Monarchie“. Es ist Tyroff-typisch sehr detailliert gestochen, jedoch fehlerhaft: Dem Herzschild fehlt die zentrale Lilie, und der Name lautet „Freiherren von Faber“. Sechs Jahre später erscheint das Wappen in der Reihe über den württembergischen Adel, jetzt stimmt der Name und die fehlende Lilie ist auch da. 1851 kommt ein neuer Band der österreichischen Reihe heraus, nun „Freiherren von Faber du Faur“, und die Lilie ist wieder verschwunden. Ein Jahr später, ein weiterer Band der Wappen Österreichs, es ist der 19., und jetzt schreibt Tyroff die Familie als „von Faber Freiherren du Four“. Immerhin konsequent bleibt der Tyroff bei der fehlenden Lilie.

1854 kommt ein 27jähriger Münchner auf eine Idee. Sie ist größenwahnsinnig, aber das weiß er noch nicht: Den entschlafenen Siebmacher wiederbeleben, und zwar mit allen Bänden, Ergänzungen, Supplementen, die in den 200 Jahren dieser Wappensammlung erschienen sind. Nur viel besser.

Kaum fünf Jahre brauche er dafür, glaubte Otto Titan von Hefner. Und macht sich ans Werk.

Als er 17 Jahre später stirbt, nur 42 Jahre alt, ist sein „Neuer Siebmacher“ noch unvollendet. Dutzende Bände sind bereits erschienen, und längst arbeiten weitere Autoren im Auftrag des Verlages daran mit. Sie setzen die Reihe fort, bis weit ins 20. Jahrhundert, Jahr für Jahr erscheinen Nachträge, Aktualisierungen und neue Bände.

Anders als ehedem gibt es nun zu jeder Familie einen lexikalischen Eintrag mit Angaben zu Herkunft und Wappen.

Im Jahr 1857 erscheint das Wappen der Faber du Faur im Band über den württembergischen Adel; nun ist das Wappen korrekt gezeichnet und beschrieben, der Name aber auf Faber verkürzt. Allein jenes Detail, dass eine Partie der Helmdecke rot-weiß sei, ist entfallen. Drei Jahre später erscheint ein Band mit einem Ergänzungsabschnitt; hier gehen die Autoren im Textteil kurz auf all die Versionen ein, die im alten Siebmacher von 1785 abgebildet sind. Die richtige Version wird erkannt und beschrieben, so wie drei Jahre zuvor, dann aber noch eine der falschen Varianten abgebildet: Jetzt wird die Familie Faber du Faur genannt und mit einem als falsch erkannten Wappen abgebildet. Warum, bleibt unerklärlich.